Wissenschaftliche Revolution: Massenkündigung beim Elsevier-Journal wegen KI-Integration und Geschäftspraktiken

In einer beispiellosen Entwicklung, die die wissenschaftliche Publikationswelt erschüttert, hat nahezu das gesamte Editorial Board des renommierten Journal of Human Evolution (JHE) seinen Rücktritt erklärt. Diese dramatische Entscheidung markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des wissenschaftlichen Publizierens und wirft wichtige Fragen über die Zukunft akademischer Zeitschriften auf.

Der Massenrücktritt, der bis auf ein einzelnes Mitglied das gesamte Editorial Board umfasst, wurde mit ‚tiefer Trauer und großem Bedauern‘ verkündet. Es handelt sich dabei bereits um den zwanzigsten derartigen Vorfall seit 2023, was einen besorgniserregenden Trend in der wissenschaftlichen Publikationsbranche aufzeigt.

Am Kern der Kontroverse stehen mehrere problematische Entwicklungen, die sich über das letzte Jahrzehnt hinweg zugespitzt haben. Besonders kritisch sehen die Editoren die schrittweise Eliminierung wichtiger Unterstützungsfunktionen durch Elsevier. Die Streichung der Positionen des Lektorats und der Sonderausgaben-Redaktion hat zu einer erheblichen Mehrbelastung des Editorial Boards geführt.

Ein weiterer Brennpunkt ist die geplante Umstrukturierung des Redaktionsteams. Der drastische Plan sieht vor, die Anzahl der Associate Editors um mehr als die Hälfte zu reduzieren. Diese Maßnahme würde bedeuten, dass die verbleibenden Editoren eine deutlich höhere Anzahl von Artikeln bearbeiten müssten, oft auch außerhalb ihrer eigentlichen Expertise. Besonders problematisch erscheint dabei die Einführung eines neuen, dritten Editorial Boards durch Elsevier, das nach Ansicht der Kritiker hauptsächlich eine repräsentative Funktion erfüllt und die redaktionelle Unabhängigkeit gefährdet.

Die Integration künstlicher Intelligenz in den redaktionellen Prozess hat sich als besonders kontrovers erwiesen. Die fehlende Transparenz gegenüber den Autoren bezüglich des KI-Einsatzes verstößt gegen die eigenen Richtlinien des Journals und hat für erhebliche Empörung gesorgt. Viele Editoren äußerten ihre Bestürzung über diese Entwicklung, die ohne ausreichende Konsultation eingeführt wurde.

Die finanziellen Aspekte verschärfen die Situation zusätzlich. Mit Bearbeitungsgebühren von bis zu 3.990 Dollar pro Einreichung bei gleichzeitiger Kürzung der Editorenvergütung hat Elsevier den Unmut der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf sich gezogen.

Die Reaktionen aus der akademischen Welt sind überwiegend unterstützend. Prominente Stimmen wie der Biologe PZ Myers von der University of Minnesota Morris kritisieren Elseviers Priorisierung von Profit über Qualität. Der Anthropologe John Hawks betont die Bedeutung der Entscheidung und unterstreicht die Problematik des intransparenten KI-Einsatzes.

Dieser Vorfall reiht sich ein in eine größere Bewegung innerhalb der wissenschaftlichen Publikationslandschaft. Ehemalige Editoren anderer Zeitschriften wie Syntax und Critical Public Health arbeiten bereits an der Etablierung neuer, unabhängiger Open-Access-Journale, die hohe akademische Standards gewährleisten sollen.

Die Entwicklungen beim JHE könnten einen Wendepunkt in der wissenschaftlichen Publikationspraxis markieren. Sie werfen fundamentale Fragen auf über die Balance zwischen kommerziellen Interessen und akademischer Qualität, die Rolle der KI im Publikationsprozess und die Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens im digitalen Zeitalter.

Auch ein projekt im kopf?